Wirklich, wirklich - Gedanken von Beate Helene Reither

Wirklich wirklich?

 

In letzter Zeit beschäftigen mich die Vorstellungen von Wirklichkeit und Realität.

Im Allgemeinen denken wir, einen Konsens darüber gefunden zu haben, was wir landläufig als "wirklich" und "real" bezeichnen. Üblicherweise wird angenommen, dass der andere die (fast) gleiche Wahrnehmung wie man selbst haben müsste. So reden wir oft aneinander vorbei, weil jeder von Wahrheit und Wirklichkeit spricht, aber von der jeweils unterschiedlichen persönlichen Empfindung ausgeht.

Seit Tagen kreisen meine Gedanken um dieses Thema... und ich komme immer zu dem Schluss, dass es so etwas wie Wirklichkeit im kollektiven Sinne nicht geben kann. Im Zuge dessen merke ich, wie sehr ich mich bisher darauf verlassen habe, dass es dieses Konstrukt gibt und wie sich jetzt meine Kommunikation zu gestalten beginnt, seitdem ich nicht mehr vom Gedanken der gemeinsamen Wirklichkeit ausgehe.

 

Was ist wirklich?

- Länder- und Staatsgrenzen?

- Dass wir gerade Aufstieg oder Weltuntergang erleben?

Beides gleichzeitig, nebeneinander, ineinander verwurschtelt, wenn ich die unterschiedlichen Postings auf meiner Timeline sehe. Was ist wahr? Was davon ist real? Ich empfinde dies als viele parallele Welten, parallele Wirklichkeiten, die nebeneinander existieren.

- Alles, was ich angreifen kann?

- Was ich fühle?

 

Das ist doch wiederum nur für mich real, weil es nur in meinem Inneren stattfindet. Sobald ich diese Gefühle nach außen trage, wie sie dann von meinem Umfeld aufgenommen werden und wie es darauf reagiert - zu diesem Zeitpunkt ist meine Wirklichkeit schon durch unzählige Filter gelaufen und zusammengeschrumpft, aufdass wiederum nur bestimmte Teilaspekte von den Rezeptoren der anderen aufgenommen werden. Die Reaktion erfolgt bereits in der Wirklichkeit des anderen Menschen, die mit meiner Wirklichkeit in diesem Sinne nichts mehr außer ein paar Überschneidungen gemein hat.

- Was ausgesprochen wird?

 

Was ist dann mit den Ideen und Gedanken, die im Kopf herumziehen, sind die nun auch echt oder nicht? Wie weit geht meine Welt, was sind meine DEFINITIONEN von Realität und Wirklichkeit? Befrage ich zehn Menschen dazu, werde ich mindestens zehn unterschiedliche Antworten bekommen.

- Unsere gesellschaftlich/kulturell genormten Begriffe von Beziehungen, Status und Anerkennung und anderen "G'heat sis"?

Damit meine ich umgangssprachlich „was man so tut, wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat… das gesellschaftliche Theater eben.

 

„Realität ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Wirklichkeiten.“

Dieser Satz beschäftigt mich auch schon eine Weile und arbeitet in meinem Verstand. Kann und will ich überhaupt eine derart reduzierte, beschnittene Welt – das kleinste gemeinsame Vielfache – als Wirklichkeit anerkennen?

Wo bleiben Vielfalt, Buntheit, die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiedlichkeiten, die unsere Persönlichkeiten und in weiterem Sinne Kulturkreise ausmachen?

 

Warum erklären Erwachsene ihren Kindern, dass ihr unsichtbarer Freund nicht „echt“ ist, warum sagt man, dass es keine Feen und Naturgeister gibt, nur weil man sie nicht sehen kann? Wer malt die Blumen an? Wer macht die unterschiedlichen Düfte in der Natur? Warum erkennt man Ideen und inneren Bilder nicht als genauso wirklich an - weil nur man selbst sie sieht und sie sich keinem großen Personenkreis erschließen?

Ich gehe davon aus, dass alles auf der Welt beseelt ist, also kann ich auch mit allem in Kontakt treten – sei es in der dinglichen Welt oder auch nur in meinem Geist, in meiner Vorstellung. Wann wurde erklärt, dass dies weniger real sei als das, was man beweisen und angreifen kann?

Dieses mechanistische Weltbild lehne ich ab und entscheide mich bewusst dafür, mich mit meinem Erwachsenenwissen auf die kindliche Sichtweise einzulassen, ich durfte sie täglich in meiner Arbeit erleben. Kein Kind, kein Erwachsener wird von mir hören, dass seine Geschichte falsch sei, denn ich weiß, dass sie aus einer persönlichen Realität stammt, zu der ich momentan vielleicht keinen Zugang habe, von der ich erst durchs Zuhören und Nachfragen möglicherweise einen Eindruck erhalte.

 

Da ich nicht mehr davon ausgehe, dass mein Gesprächspartner dasselbe wie ich sehen und meinen muss (auch wenn die gleichen Worte verwendet werden), werde ich achtsamer in meinen Worten. Ich frage nach, was und wie mein Gegenüber das Mitgeteilte verstanden hat. Dadurch er mir in seinen Worten das Gehörte wiedergibt, erkenne ich seinen Standpunkt und seine Emotion dazu.

Ich lausche der Wortwahl meines Gegenübers, um herauszufinden, ob wir überhaupt dieselbe Sprache sprechen. Jeder Mensch hat seine individuelle Sprache, seinen persönlichen Wortschatz, der sich im Laufe seines Lebens gebildet hat. Durch das aufmerksame Einsteigen in die Wortwahl des anderen kann ich seine Wirklichkeit besser verstehen.

 

Und vor allem – ich bemerke, dass zu viel gesprochen und zu wenig zugehört wird. So viele Menschen wollen Lehrer sein, wollen wissen, was für ihr Gegenüber „gut“ ist und teilen dies – sehr oft ungefragt auch mit. So entstehen die Totschlagfloskeln „du solltest aber schon..“, „das hättest soundso tun können…“ – diese ganzen „Hätt' i, tät i, war i“- Geschichten, die immer den schalen Nachgeschmack einer gewissen Bringschuld nach sich ziehen.

Mit meinem Standpunkt der individuellen Wirklichkeiten empfinde ich Respekt vor der Welt meines Gegenübers und werde ungefragt keinen Eingriff in die Realität des anderen nehmen, so lange ich nicht meine persönlichen Grenzen übertreten sehe.

Eigentlich fühle ich mich sehr wohl damit, denn was bewirkt diese Sicht?

 

Ich bin für niemanden anderen auf der Welt mehr verantwortlich als für mich! (Bezug auf persönliche Entwicklung)

Ich darf vor meiner eigenen Haustüre kehren und nicht vor der eines anderen Menschen!

Ich übernehme volle Verantwortung für mein Leben und meine Entscheidungen und traue dies auch jedem anderen Menschen zu!

Ich nehme bewusst meine Gedanken, Gefühle und Eindrücke, Visionen und Spinnereien auf in meine Wirklichkeit, auch wenn manche davon nur bei mir bleiben!

 

Die Bühne des Lebens ist so bunt und vielfältig und nach und nach lerne ich darauf zu tanzen…

 

Von Herzen(sKUNST),

Eure Beate Helene Reither

 

www.atelier-herzenskunst.at

 

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